Ich mag Jekyll & Hyde sehr und habe auch diverse Produktionen gesehen. Von den großen Ensuite-Produktionen bis hin zu Aufführungen von kleineren Theatern. So habe ich mich auch gefreut, dass das Stück letztes Jahr nach Merzig kommen sollte. Aufgrund der Pandemie kam es gestern endlich zur Premiere.
Merzig fällt durch zwei Punkte auf. Man setzt teilweise auf Stücke, die man so im deutschsprachigen Raum nicht kennt. So wurden die Addams Family und 9to5 als deutschsprachige Erstaufführungen auf die Bühne gebracht. Außerdem sind die Besetzungen oft herausragend. Beide Punkte wurden zwar in jüngster Zeit etwas vernachlässigt, aber das tut dem Ganzen keinen Abbruch.
In diesem Jahr kam man durch die Pandemie auf eine (wie ich finde) clevere Idee. Man hat die Zuschauertribüne aus dem Zelt gebracht und so eine neue Open-Air-Bühne geschaffen. Gerade die Bühne wirkt zunächst sehr provisorisch, aber als Gesamtbild während der Vorstellung passt das ganz wunderbar. Bei schlechtem Wetter verschiebt man die Bühne übrigens ins Zelt und spielt das Stück (halbszenisch) dort weiter.
Zum Stück! Schon beim Prolog war ich sehr erstaunt. Man spielt hier nicht die Stücke ab, wie man sie aus den hierzulande bekannten Produktionen kennt. Ich glaube, die Produktion orientiert sich an der ursprünglichen Version (?). Zu Beginn steigt beim instumentalen Teil eine Damenstimme ein. Das wirkt ganz hervorragend und war bei mir ein Gänsehautmoment. Sehr stimmungsvoll! Leider wurde dann der Text "In jedem von uns..." nicht von Jekyll, sondern von der ganzen Cast vorgetragen. Hatte etwas von gemeinsamen Lesen in der Grundschule und ich fand es einfach lächerlich bzw. fast schon zum fremdschämen. Damit war der Gänsehautmoment schnell wieder dahin.
Und weiter ging es auch für Kenner des Stückes mit viel Abwechslung. Songs wurden gestrichen, andere kamen hinzu und die Reihenfolge weicht teilweise auch erheblich vom Bekannten ab. Die Übersetzung ist auch nicht die bekannte Arbeit von Susanne Dengler. Die Arrangements sind auch teilweise stark verändert. Leider in meinen Augen aber nicht immer im positiven Sinne. Hier hätte man behutsamer vorgehen müssen, wenn z.B. als "Gefährliches Spiel" ein Tango wird oder das Duett von Lucy und Lisa mir zum ersten Mal gar nicht mehr gefiel. Schade.
Das Bühnenbild ist sehr spartanisch und besteht aus einer großen LED-Wand und zwei Balkonen davor. Wirkt auf den Bildern gar nicht einladend, aber auf der Bühne während der Show hat es mir doch sehr gut gefallen. Auch die Projektionen waren oftmals gut bis sehr gut gewählt, mit Ausrutschern. Wieso man gleich bei zwei Liedern das Meer zeigt und Henry und Lisa plötzlich die See unter sich haben, erschließt sich mir nicht. Völlig unpassend.
Das Highlight des Stückes war für mich (völlig überraschend in mehrfacher Hinsicht) "schafft die Männer ran". Lucy entblättert sich zu Beginn des Stückes und steht urplötzlich in durchsichtigem Body da. Bitte was?! Das war erst der Beginn, denn der Rest der Truppe kleidete sich mehr als originell und was dann auf der Bühne abging, war schon... sehr deutlich. Nennen wir es so. Das sorgte beim Publikum sichtlich für Verwunderung und nach und nach zu vielen kleinen Lachern. Ich fand gerade diese Szene sehr überraschend, aber sehr passend und vor allem durch Miriam Neumaier das Highlight der Show.
Mit Miriam Neumaier stand eine Lucy auf der Bühne, die eigentlich nur Cover sein sollte. Vasiliki Roussi, die immer noch als Lucy hier geführt wird, hat sich offenbar verletzt und kann auch in den nächsten Wochen nicht auftreten. Was mich im Vorfeld traurig stimmte (sie ist wirklich hervorragend), stellt aber in Merzig selten einen Kritikpunkt dar, da man eben die Darsteller oft sehr gut wählt. Kommen wir doch damit zur Cast:
Fabio Diso als Jekyll/Hyde. Hier haben wir leider schon den "Schwachpunkt" der Show in Form der Hauptrolle. Den Jekyll spielt er noch ganz gut, wenn auch oftmals zu leise und etwas schwach auf der Brust. Wenn er sich jedoch in Hyde verwandelt, so merkt man leider keinen Unterschied. Kein anderes Aussehen (der ganz simple "Haartrick" der bekannten Produktionen fehlt), keine andere Stimmlage (Hyde singt doch meist deutlich tiefer und aggressiver), allenfalls die Gestik ist etwas verändert. Ich habe das Gefühl, dass Fabian Diso die Stimmlage nicht tiefer legen kann. ´Dazu singt er auch als Hyde weiterhin eher leise und schwach. Somit fand ich ihn leider sehr, sehr enttäuschend und als Hyde offen gesagt schon ein No-Go.
Milica Jovanovic ist ja der vielleicht bekannteste Name und sie war auch schon in Dortmund in dieser Rolle zu sehen. Sie spielt die Rolle routiniert und es gibt kaum etwas an ihr auszusetzen.
Miriam Neumaier als Ersatz für Vasiliki Roussi war eine positive Überraschung. Ihre Stimme ist sehr gut, wunderbar facettenreich je nach Situation. Das Schauspiel fast noch besser. Wenn das nur die Coverbesetzung ist, Hut ab.
Der Rest der Truppe passte auch sehr gut, wie immer. Hier gibt es wirklich nichts zu beanstanden.
Wer das Stück wie ich mag und einmal eine andere Variante als die bisher bekannte sehen möchte (nicht nur in der Inszenierung), dem kann ich einen Besuch nur empfehlen. Wir hatten auch dieses Jahr wieder einen wundervollen Abend. Vor allem das Gesamtpaket mit der tollen Umgebung um die Zelte passt dort einfach.
Beiträge von sus70
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War schon jemand in Merzig oder hat vor, das Stück noch besuchen? Ich kann die ganzen Änderungen der "bekannten" Fassung aus Bremen/Köln/Wien gar nicht mehr richtig einordnen und wäre froh, wenn mir da jemand auf die Sprünge hilft. Ich hänge auch gerne mal gleich noch meinen Bericht der Premiere an.
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Ich hatte bei der CD zu Cinderella auch erst meine Probleme. Die Lieder gingen mir nicht recht ins Ohr und vor allem wirkte vieles regelrecht "billig", unpassend zu ALW.
Nachdem die CD aber nun mehrmals lief, gefällt mir das Stück immer besser. Gerade der Titelsong und vor allem das letzte Lied des ersten Aktes sind wirklich toll.
Ganz gleich, wie Love Never Dies lief: Andrew Lloyd Webber ist hierzulande immer noch DER Komponist schlechthin, gerade für Otto Normalbesucher.
Von daher denke ich schon, dass wir Cinderella sicher in nicht allzu ferner Zukunft auch in Deutschland sehen werden.
Übrigens scheint das Stück in der Londoner Fassung des "Mini-Theaters" recht einfach und kostengünstig ausgestattet zu sein. Das schreit ja schon nach der Stage!