Niemals vergessen: Musicals am Broadway bekommen maximal ein paar Wochen Zeit - ohne irgendwelche Rabattaktionen - sich zu bewähren. Dann sind sie weg!
Hamilton hatte viel Werbung zur besten Sendezeit im Privatfernsehen und ist immer wieder im NDR präsent. In große Fernsehsendungen muss man eingeladen werden, und dazu müssen diese erst Interesse bekunden.
Die Kritik am deutschen Publikum ist unberechtigt, unsinnig und dazu kontraproduktiv, denn glaubt man wirklich, Zuschauer die dermaßen Beleidigungen an den Kopf geworfen werden, rennen auf einmal ins Stück? Die sind doch nicht dumm! Es ist niemals die Schuld des Publikums. Wenn etwas nicht angenommen wird, sollte man zuerst einmal sein Produkt reflektiert betrachten und nicht wie ein Kleinkind trotzend die Schuld auf andere schieben. Hinzu kommt das auch sehr viele Jukebox- und Film-Musicals in Deutschland durchfallen (z.B. The Band, Bat out of Hell, Amelie, Pretty Woman, und viele andere).
Eher ist das deutsche Publikum skeptischer gegenüber Inhalten und der anspruchsvolle Theatergänger bei uns geschichtlich gebildeter, als das sie wahllos alles konsumieren würden was ihnen vorgesetzt wird. Aber, um auch noch ein anderes Beispiel zu nennen, zum Thema das deutsche Publikum würde sich auf nichts Neues einlassen oder etwas wagen: Eine Dame ging in die Show und wollte sich einfach überraschen lassen. Als sie anschließend öffentlich in einem Facebook-Kommentar negative Kritik zur Musik äußerte, wurde sie nicht nur von Hamilton-Fans, sondern sogar von einem Darsteller sehr unhöflich angefahren, man wüsste doch, dass das Stück aus Rap besteht und hätte sich doch zuvor informieren können! Unverschämter kann man sein Publikum kaum vergraulen.
Aber das Hauptproblem bleibt, Hamilton ist ein hochproblematisches Stück, wenn man denn Kritik zulässt. Was lange versucht wurde von den Produzenten in den USA zu unterdrücken oder kleinzureden, rächt sich langsam, desto mehr Aufmerksamkeit dieses Musical außerhalb seiner eigens geschaffenen Blase erhält. Denn wie gesagt, Kritik wurde sehr lange bekämpft.
Es ist nicht nur Frauenfeindlich und Rassistisch, Kriegsverbrecher, Misogynsten und Vergewaltiger werden zu coolen Typen erklärt. Und es wird als völlig in Ordnung gesehen, den Genozid an der indianischen Bevölkerung zu verschweigen, sowie Misshandlungen und Sklavenhaltung zu verleumden - solange die Besetzung aus farbigen Darstellern besteht.